Radschnellweg OWL – Warum und für wen?

Gestern erreichte mich bzw. unseren Ortsverband/Fraktion ein Leserbrief mit Kommentar zur Berichterstattung der Neuen-Westfälischen über den Radschnellweg zwischen Minden und Herford zur Kenntnisnahme verbunden mit der ausdrücklichen Bitte um Stellungnahme der angeschriebenen Fraktionen. Soweit ich es sehen kann, sind allerdings nur die Fraktionen des sog. „5er-Bündnis“ angeschrieben worden, sowie ein MdB der CDU und ein fraktionsloses Mitglied der FDP. Ich hatte keine große Lust darauf zu antworten, da inhaltlich nicht der Eindruck erweckt wurde, dass ein ernsthafter Diskurs gesucht wird. Im Gegenteil wenn mir „Bescheuertheit“ bzw. „bescheuertes Denken“ und „Schwachsinnslösung“ als „sachlich fundiert“ präsentiert werden, ich gleichzeitig auch den folgenden Mailverkehr zwischen Ratskollegen und dem Kommentator lese, dann zweifle ich an der Intention.

Wie dem auch sei, der Leserbrief ist heute von der NW abgedruckt worden und in der uns übersandten Version wird ausdrücklich um die öffentliche Beantwortung gebeten.

Leserbrief an die NW zur Samstagsausgabe, 5.12.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großer Neugierde und noch mehr Erstaunen habe ich den Bericht über die Absichten eines Radschnellwegs zwischen Herford und Minden am Samstag in der NW gelesen. Die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie wurden vorgestellt. Ich freue mich außerordentlich über die feine journalistische Leistung von Frau Bliesener, den Schwachsinn dieses Vorhabens fein in jeden Satz der Berichterstattung hineinzuweben, außerdem über die Bildsprache ohne dass der Bericht kommentatorisch wurde. Eine lokaljournalistische Meisterleistung. So interpretiere ich das jedenfalls. Andere können anderer Meinung sein.

Ich sehe das inhaltlich genauso, allerdings bin ich was die lokaljournalistische Meisterleistung angeht, anderer Meinung. Tatsächlich hatte ich auch in der Vergangenheit den Eindruck, die Redakteurin steht dem Radschnellweg eher negativ gegenüber. Das spiegelt sich dann naturgemäß in der Berichterstattung wieder.

Ich bitte den Rat (Politik), die Planer in der Verwaltung und vor allen Dingen den neuen Bürgermeister, der jetzt seinem Bündnis (nicht immer) folgen muss, die ihn unterstützten, folgende Fragen bei diesem Thema sachlich mitzubeachten und öffentlich sachlich fundiert zu beantworten:
Beim „sachlich fundiert“ wird es schwierig, da ich ja ganz offensichtlich einer dieser bescheuerten Grünen und Freaks bin. Wie kann dann von mir eine sachlich fundierte Antwort erwartet werden? Gleichzeitig bin ich überrascht, denn als Journalist hätte man mit etwas Recherche – so man sich für die Antworten interessiert – schon einiges finden können. Gleichzeitig kann ich nur empfehlen, den 28.01.2016 im Kalender zu notieren. Dann wird (voraussichtlich zwischen 17:00 und 18:30 Uhr) die Machbarkeitsstudie noch einmal in der Wandelhalle im Kurpark der Öffentlichkeit präsentiert. Die letzte Sitzung des Ausschuss für Stadtentwicklung, in welcher die Studie ebenfalls präsentiert wurde, war übrigens auch öffentlich und jeder interessierte Bürger ist dazu jedesmal herzlich eingeladen! Zum Radschnellweg an sich habe ich hier im Blog schon desöfteren was geschrieben.

– Welche Zielgruppen sollen erreicht werden? Es wird kaum Autofahrer geben, die dann aufs Fahrrad umsteigen. Es ist einfach nur Klientelpolitik für einige Freaks, die tatsächlich bereit sind bei Wind und Wetter Kilometer mit dem Fahrrad zu reißen statt mit dem Auto. Das tun die heute schon. Wen wollen Sie jetzt noch mit 20 Mio. aufs Fahrrad schwingen? Vielleicht werden’s 3 sein… oder 10
Drei oder zehn? In ganz Minden, Porta-Westfalica, Bad Oeynhausen, Löhne und Herford? Die Gesamtkosten beziehen sich auf den gesamten Streckenverlauf, also muss auch der Gesamtnutzen gesehen werden. Alleine in Bad Oeynhausen gibt es bereits deutlich mehr Pendler. Das sieht man ja sehr schön daran, dass die Fahrräder sehr zum Leidwesen einiger Lokalpolitiker öffentlich rumstehen und stören. Man kann übrigens auch in Rehme auf den Radschnellweg fahren und damit nur bis zur Innenstadt gelangen, oder bis Gohfeld. Oder nur von Minden nach Porta oder von Herford bis Löhne … und so weiter.

Es gibt etliche Menschen, die tatsächlich deshalb ungern mit dem Rad fahren, weil es bei der bestehenden Infrastruktur subjektiv zu unsicher ist. Ich finde das im Übrigen gar nicht, ärgere mich aber trotzdem regelmäßig darüber, wie die Planer in der Vergangenheit die Infrastruktur so vor die Wand geplant haben. Alles ist darauf optimiert, dass man 90 Kg Mensch mit 1,8 Tonnen Blech und der Verbrennung fossiler Rohstoffe drei Kilometer zur Arbeit befördert. Dabei verbraucht dieser eine Menschen 10 m² Verkehrsfläche, während ich auf meinem Rad mit weniger als einem m² zurecht komme. Das wird übrigens mit einem Elektroauto nicht besser. Ein elektrisch unterstützes Fahrrad könnte allerdings die neue Infratsruktur nutzen – und dessen Verkäufe boomen. Insofern ist die Zielgruppe vorhanden. Kommt Infrastruktr, kommt auch Nutzung.

– Wie soll ein Radschnellweg in ein etabliertes Verkehrsnetz als Schnellstraße implantiert werden? Frage an die Planer. Ich sage: Das geht nicht. Zuviele Krisenpunkte. Ergo: Wird viel zu teuer. Und ist stadtplanerisch auch nicht sinnvoll. Ich appeliere an meine Zunft.
Klar! „Das geht nicht“ ist ein Top-Argument und so fundiert. Aus dem Munde eines Planers eigentlich ein Armutszeugnis, nicht einmal darüber nachzudenken. Und welch eine Ohrfeige für die Kollegen Planer der PGV Hannover, welche die Machbarkeitsstudie erstellt haben. Aber hier soll ich ja gar nicht antworten, denn die Frage geht ja ausdrücklich an die Planer – an welche die Mail aber gar nicht adressiert war.

Aber um es zu beantworten: natürlich geht das. Das Problem des „etablierten Verkehrsnetzes“ ist oben bereits beschrieben. Es ist auf KFZ ausgelegt. Weil die Planer in der Vergangenheit leider nicht weit genug gedacht haben. Die zur Verfügung stehende Fläche wurde den Fußgängern und Radfahrern immer mehr entzogen, bis sie so klein wurde, dass man sie nicht mehr vernünftig nutzen kann. Nun stehen wir vor dem Ursache-Wirkung-Problem. In Innenstädten wird es eng. Andere Länder haben das weit vor uns erkannt und begriffen. Naturgemäß ist man dort auch deutlich weiter. Und natürlich kann man diese Erkenntnisse auch hier anwenden. Für Fahrten unter 2 Kilometern wird in Bad Oeynhausen zu mehr als 70% das Auto benutzt. Ein Unding! Das ist eine Frage der Kommunikation, aber auch der Infrastruktur.

Für Bad Oeynhausen bietet der Radschnellweg die einmalige Chance auf den Rückbau der Mindener Straße. Auf dieser fahren zur Zeit ca. 40.000 KFZ inkl. Schwerlastverkehr. Letzterer besteht aktuellen Zählungen zufolge zu mehr als 95% aus Durchgangsverkehr. Beim MIV liegt es immer noch bei über 80%. Bleiben also nach Fertigstellung der Nordumgehung weniger als 20% von 40.000 KFZ auf der Mindener. Nehmen wir diese 20% wären es konkret 8.000 KFZ – fast ohne Schwerlastverkehr. Sagen wir 10.000! Zum Vergleich: auf der Eidinghausener fuhren bei den Zählungen in 2005 und 2010 jeweils knapp unter 18.000 KFZ täglich. Keine Frage, möchte man diese Zahl wirklich erreichen, muss man die Mindener Straße von der jetzigen Ausprägung befreien und für den Durchgangsverkehr unattraktiv machen. Sie wird also einspurig werden müssen. Idealerweise mit Kreiseln an den Knotenpunkten. Planerisch alles sinnvoll, machbar und bereits vorgestellt. Kann man alles in Frage stellen, ist dann aber nicht fundiert und nicht mit Zahlen belastbar. Der um die Jahrtausendwende prognostizierte Anstieg der Verkehrszahlen auf über 50.000 auf der Mindener Straße ist ausgeblieben, im Gegenteil, es ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Dieser ist in Gänze auch nicht mit Ausweichverkehr auf der Werster Straße zu erklären.

Die Frage „Wie soll ein Radschnellweg in ein etabliertes Verkehrsnetz als Schnellstraße implantiert werden?“ ist also zumindest für Bad Oeynhausen extrem einfach zu beantworten. Der größte Teil ist bereits vorhanden und muss nur genutzt werden. Oh, ja, das stimmt. Dem motorisierten Verkehr wird dann weniger Fläche zur Verfügung stehen. Das ist der Grundgedanke. Dazu gibt es naturgemäß teuere und sehr günstige Lösungen. Eine Umwidmung der jeweils rechten Spur für den Radverkehr mit entsprechender Markierung und Platzierung von kleinen Überfahrpunkten auf der Trennlinie ist schnell und einfach zu realisieren.

– Nehmen wir an, es gibt einen Radschnellweg. Wie verläuft der? Wie sieht dann die neue Strecke für einen bisherigen Radfahrer zur Arbeit aus, die möglicherweise Zickzack lief, und, nun neu: wenn die Rennstrecke a) weder an seiner Wohnung und b) weder an seiner Firma vorbeiführt. Er muss sich eine neue Route suchen. Ist die vorteilhafter? Vielleicht liegt seine Firma im Norden. Die Fahrradautobahn aber im Süden. Muss er Zickzack bescheuert in den Süden fahren, um auf die Autobahn zu gelangen, dann irgendwann abfahren am AK XY und sich dann den neuen Weg bis zur Arbeit suchen, der nicht vorteilhafter ist als der alte ohne diese Radautobahn??
Es gibt keine Fahrradautobahn. Der Verlauf der Strecke wurde mehrfach öffentlich präsentiert. Auch in der Presse. Die Fragestellung mit dem zick-zack-fahrenden Radfahrer ist – ich benutze mal das gleiche Wort wie im Kommentar – bescheuert. Eigentlich muss man darauf nicht antworten. Wir haben hier z.B. eine Autobahn, die bis in die Niederlande führt. Wenn ich in Gohfeld dort auffahre bin ich aber nicht gezwungen, bis Holland durch zu rauschen! Ich kann und darf – wer hätte es gedacht! – auch in Gohfeld die Autobahn verlassen. Und nun das Allerdollste: auf meinem Arbeitsweg benötige ich diese Autobahn nicht! Was eine blödsinnige Entscheidung das Ding zu bauen. Meine Frau braucht es für den Arbeitsweg auch nicht, meine Schwester und meine Tante auch nicht. Wer fährt dort überhaupt? Muss ich jetzt Zick-Zack bis Gohfeld durch Werste fahren, damit ich die Autobahn zurück in die Innenstadt nutzen kann? Welcher bescheuerte Planer hat sich das ausgedacht?

Frage beantwortet?

– Wer benutzt die überhaupt? Die Omi und Opi sowie die Hobbyradfahrer im Siel? Die fahren mit 15 km/h durch die Gegend, schlenken außerdem aus, weil sie unsicherer (Hobby)Radfahrer sind – und dann nicht von einem Freak überholt werden müssen, der 35 km/h mit seinem Liegefahrrad zur Arbeit fährt.
Ist oben schon bei der Zielgruppe beantwortet. Die Zielgruppe ist ja nun das „wer“ aus der Frage. Der Rest ist mir – ich bemühe wieder die Wortwahl des Kommentators – zu bescheuert. Vielleicht eins doch: wenn man ausreichend Infrastruktur hat, dann kann auch der schnelle „Freak“ die langsame „Omi“ überholen. Genau das passiert täglich, stündlich, minütlich im motorisierten Verkehr. Der Unterschied ist nur, dass die „Freaks“ in dem Fall mit dem Leben der anderen spielen.

– Das alles für 20 Mio??? Ist der Rat bescheuert, wenn er eine solche Schwachsinnslösung beschließt? Wie wir alle zudem auch wissen: Dass die Kosten bei öffentlichen Projekten um 50% über der prognostizierten Summe liegen. Also einen Fahrradkilometer für ein paar Freaks zum Preis von realistisch 750.000 Euro bauen?

Wo bleibt der Verstand.

Der Verstand bleibt im Kopf und auch wenn ich nicht mit allen Meinungen im Rat konform gehe, würde ich niemanden als bescheuert bezeichnen. Ein Autokilometer ist übrigens – wie man als Planer ja weiß – ungleich teurer, kostet ungleich mehr in der Unterhaltung und wird ungleich schneller kaputt gefahren.

Dass die NRW-Regierung das bezuschusst ist klar, weil in der Koalition die Grünen sitzen und Teile der SPD genauso bescheuert denken. Man muss aber lokal nicht jede Bescheuertheit mitmachen. Zumal bei klammen Kassen. Und ich bin Weißgott nicht IHK oder schwarz.

Mit freundlichen Grüßen

Ebenfalls!

Andreas Edler

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