Haushaltsrede zum Haushalt 2024 28.02.202429.02.2024 | Dr. Volker Brand (Ratssitzung am 28.02.2024) von Dr. Volker Brand, Vorsitzender der Fraktion Die GRÜNEN im Rat der Stadt Bad Oeynhausen Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, grundsätzlich mag es die Meinung geben, eine Haushaltssicherung ist vielleicht gar nicht das Schlechteste, was es gibt: Die Politik unserer Stadt würde sich haushalterisch einem engen Korsett der Kommunalaufsicht ausgesetzt sehen, großartige Pläne für nicht zwingend notwendige Projekte lösen sich in Wohlgefallen auf und unser viel zu großer Rat mit 54 Mitgliedern sieht sich dann ständig von der Verwaltung gegängelt, doch bitte lieber auf kostspielige Initiativen a priori zu verzichten. Statt echter Projekte gibt es dann nur noch Konzepte. Immerhin ist Sparen ja auch eine Tugend. Dr. Volker Brand Aber was lehrt die Erfahrung der letzten Haushaltssicherung vor knapp 10 Jahren. In Bad Oeynhausen blieben wichtige Investitionen in die Infrastruktur, in die Zukunft der Stadt zu großen Teilen liegen. Sobald die Haushaltssicherung verlassen werden konnte, versuchten wir diese notwendigen Investitionen nachzuholen und stellten doch fest, dass die personell verschlankte Verwaltung dieses ambitionierte Nachholprojekt nur mit weiteren langfristigen Verzögerungen angehen konnte. Riesige Investitionssummen sind so von einem Haushaltsjahr ins andere geschoben worden und die offensichtlichen Defizite der Stadt wurden nur notdürftig behoben. Am Ende dieses Prozesses wartet vielleicht schon das nächste Haushaltssicherungskonzept und das Ganze beginnt von vorn. Deshalb halte ich eine Haushaltssicherung im Sinne einer kontinuierlichen Entwicklung einer Stadt für strukturell bedenklich. So ist es begrüßenswert, dass wir mit diesem Haushalt vorbehaltlich der aktuellen landespolitischen Entwicklung noch kein neues HSK auf den Weg gebracht haben. Bereits dieser Etat schließt eine Menge an Einsparungen, eine Erhöhung der Grundsteuer und der Nettoneuverschuldung und eine ganze Menge an Kosten, die wir den Bürger:innen zumuten müssen, ein. Unseren städtischen Haushalt sehe ich mehr mit einem Ausgabe- als mit einem Einnahmeproblem konfrontiert. Von daher ist es richtig, die Gewerbesteuer zumindest mittelfristig nicht weiter zu erhöhen. Sollte Bad Oeynhausen in den Folgejahren tatsächlich in die Haushaltssicherung abrutschen, würde die Kommunalaufsicht einen solchen Schritt sicher einfordern. Zweifellos ist dieser Haushalt besonders in der mittelfristigen Perspektive in schwerem Fahrwasser, aber gemessen an den Anforderungen, Erfordernissen und Möglichkeiten dieser Stadt ist er eine adäquate Antwort auf das, was notwendig ist. Gleichwohl bleiben leider viele Desiderate bestehen. Obschon sich der Radschnellweg nun nach irrelangen Planungen in den Dunstkreis der Umsetzung befindet und damit auch eine vernünftigere Stadtentwicklung im Hinblick auf die Mindener Straße möglich erscheint, hätten wir uns entschiedenere Schritte bezüglich auf eine Verkehrswende gewünscht. Der ÖPNV kommt optimistisch gesehen in der Autostadt Bad Oeynhausen kaum voran, Carsharing – Projekte sind zwar vom Umweltausschuss seit langem abgesegnet, harren jedoch einer Umsetzung. Entsprechend sind wir von unserem Ziel einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs leider viel zu weit entfernt. Immerhin können wir eine erfreuliche Zunahme des Radverkehrs in Bad Oeynhausen feststellen. Im Bereich von Klimaschutz und Wärmeversorgung sind wir gemessen an anderen Kommunen gut unterwegs. Ich betone hier aber, dass in den nächsten Jahren noch sehr viel Arbeit auf uns wartet. Wir hoffen, dass sich unser beharrliches Engagement in Sachen Erdwärme mittelfristig als Segen für die Stadt erweisen wird. An dieser Stelle möchte ich Thomas Schmidt für sein unermüdliches Wirken für die Tiefengeothermie ausdrücklich danken. Wir haben ferner die weitere Erhöhung des Pro Klima Etats um 100 TEURO auf 400 TEURO auf den Weg gebracht und gehen davon aus, dass die Verwaltung diese Summe auch im Haushaltsjahr 2024 umsetzt – und sei es durch Fremdvergaben bei der Installation von PV – Anlagen auf öffentlichen Gebäuden. Nicht zuletzt kommt unsere Veränderungsliste durch weitere pauschale Kürzungen der Budgets zu einer Verbesserung des Ergebnisplans – soll heißen: abweichend vom Ansatz des Kämmerers immerhin über 300 TEURO weniger Defizit „Schwierige Zeiten bewirken immer Unzufriedenheit, Protest und natürlich auch berechtigte Kritik. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass aus dieser Unzufriedenheit der Nährboden für diejenigen wird, die die Errungenschaften unseres demokratischen Miteinanders mit Füßen treten.“ Dies ist ein Zitat aus meiner Haushaltsrede aus dem letzten Jahr. Ich muss leider feststellen, dass sich die Lage, was unsere politische Kultur angeht, weiter zugespitzt hat. Wir haben es mit einer ausufernden Wutbürgermentalität zu tun. Die darüber hinaus noch mit Faktenverdrehungen, Verfälschungen, bewussten Unwahrheiten und Verschwörungstheorien korrespondiert. Summa summarum, viele Menschen, denen es wirtschaftlich nicht schlecht geht, identifizieren sich mit einer politischen Stimmungslage nach dem Motto: Staat und Gesellschaft werden katastrophal regiert bzw. verwaltet. Nie war die Lage so schlimm wie jetzt. Dagegen ist kaum ein Ankommen, auch viele Medien forcieren sehr oft diese sinistre Attitüde. Zufriedenheit ist out, sehr schwierige krisenhafte Grundlagen werden gar nicht mehr ins Kalkül gezogen, Erfolge in manchen politischen Bereichen gar nicht mehr wahrgenommen. Die Rezeption auf Habecks sogenanntes Heizungsgesetz ist für mich ein Musterbeispiel dafür, wie empfänglich viele Menschen für einen vermeintlichen Skandal waren, ohne die Faktenlage auch nur annähernd zu kennen. Das Für und Wider in der Politik, die sachliche Auseinandersetzung und Kritik, so möchte ich verstanden werden, ist unerlässlich. Aber Stimmung wird auch in diesem Haus gemacht. Wie oft habe ich hier gehört: „ Das gibt es nicht, das hat es hier noch nie gegeben.“ Da steht auf der Homepage von politischen Mitbewerbern als Replik „Katastrophale Ratssitzung“. Kolleg:innen hier im Rat werden denunziert, Schachteln werden hochgehalten mit Pillen gegen „Klugscheißeritis“. Das alles sind Zeugnisse großer Theatralik und einer überbordenden Selbstherrlichkeit. Wer so verfährt, reflektiert nicht, was er tut. Wer so verfährt, hat es versäumt, die genauen Gründe für seine Wahlniederlage zu analysieren. Weil man sich zumindest nach außen gar nicht in Frage stellt, zeigt man mit den Fingern auf andere. Gustav Heinemann hat schon vor fünf Jahrzehnten anschaulich die rhetorische Figur beschrieben, dass dann immer auch viele Finger auf einen selbst zurückzeigen. Und wer nach einer Wahlniederlage schon in der Wahlnacht die Parole ausgibt, die Wahlsieger mit dem Nasenring durch die Arena ziehen zu wollen, der braucht sich auch nicht mit seinen eigenen Defiziten zu beschäftigen. Die politische Strategie ist klar, maximale Polemik und maximale Beschädigung des politischen Gegners mögen bei der nächsten Wahl einen Stimmenzuwachs bewirken. Aber die Rechnung wird nicht aufgehen. Mit so einer Politik – und ich wiederhole mich da – schafft man die Grundlage für diejenigen, die eine andere Gesellschaft wollen. Ein solches Vorgehen hilft den Feinden der Demokratie. Nun, ich will auch gar nicht verhehlen, selbst polemisch überzogen zu haben. Im Klartext bin ich auch gerne bereit, mich bei den Kollegen Barg und Nicke dafür zu entschuldigen, sie vor 15 Jahren einmal als „freie Radikale“ tituliert zu haben. Ich möchte, dass wir alle uns einmal über den Umgang untereinander Gedanken machen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, welche Verantwortung wir im Umgang miteinander haben und welche Konsequenzen das haben kann. Natürlich werden diese Worte in den mir gleich folgenden Haushaltsreden noch keinen Widerhall finden. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir den Haushalt verabschiedet haben, alle Redemanuskripte geschlossen sind und der Rauch der politischen Auseinandersetzung verflogen ist, dann darf über diese Gedanken einmal selbstkritisch nachgedacht werden. Für die Aufmerksamkeit habe ich zu danken.
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