Der Kauf von Gesellschaftsanteilen ist keine Kommunalisierung

Die Konzessionen für die Strom- und Gasnetze in Bad Oeynhausen laufen kurzfristig aus. Das bedeutet, das Recht auf dem Grund und Boden der Stadt Bad Oeynhausen Strom- und Gasleitungen zu verlegen und zu betreiben, wird neu vergeben. Bisher darf die Elektrizität durch E.ON zu den Haushalten geführt werden. Im Gasbereich ist Gas-Westfalica der Konzessionär in Bad Oeynhausen. Die Netzbetreiber sind losgelöst von der Strom- oder Gaserzeugung und in eigenen Unternehmen der großen Mutterkonzerne organisiert. Aus dem Netzbetrieb werden Einnahmen generiert, die sich aus den Entgelten für die Durchleitung des Stroms oder Gas ergeben. Diese Netzentgelte können nicht durch die Netzbetreiber frei verhandelt werden, sondern werden durch die Bundesnetzagentur in einer bestimmten Bandbreite – abhängig von der Qualität des Netzes – festgelegt. Grob gesagt: für ein einwandfrei in Schuss gehaltenes Stromnetz bekommt man etwas mehr Netzentgelt, wenn das Netz marode ist, gibt’s weniger. Es spielt noch einiges mehr in die Preisfindung, wichtig ist aber, dass der Preis geregelt und in gewissem Rahmen festgelegt ist.

Dieses festgelegte Entgelt kann nun natürlich auch die Kommune „abgreifen“ – wenn sie nämlich selbst die Konzession zum Betrieb der Netze hält. Kurz gesagt, wenn z.B. die Stadtwerke die Betreiber des Strom- und Gasnetzes sind. Das hat mit Strom- oder Gaserzeugung zunächst nichts zu tun, eröffnet aber natürlich im nächsten Schritt erweiterte Möglichkeiten. Warum also anderen das Netzentgelt überlassen, wenn man es auch selbst machen kann?

An diesem Punkt befinden sich viele Kommunen in Ostwestfalen und angrenzend. Zufällig laufen sehr, sehr viele Konzessionen ziemlich zeitgleich aus und E.ON – die diese Konzessionen alle hält – hat kalte Füße bekommen. Denn die Überlegungen aus dem Absatz oben, stellen alle Kommunen an und für E.ON war abzusehen, dass sie etliche Stromdurchleitungsrechte verlieren werden, da die Kreise und Städte selbst in das Netzgeschäft einsteigen wollen. Gehen nun diese Konzessionen für den großen Konzern verloren, sinkt die Rentabilität, weil der große Verwaltungskopf trotzdem noch vorhanden ist. Das ist nicht von mir ausgedacht, das ist die Begründung, die E.ON in der Veranstaltung im Bürgerhaus Rehme und im Rat Bad Oeynhausen für das Verkaufsangebot der „E.ON Westfalen Weser“ an die Kommunen gegeben hat. Im übrigen auch völlig einsehbar und genau das war auch mein erster Gedanke, als uns in den Fraktionen das Verkaufsangebot bekannt gemacht wurde.

Der Zeitpunkt für dieses Verkaufsangebot war natürlich genial gewählt, da er genau in die Überlegungen der Kommunalisierung fiel. Durch das Angebot sind diese Überlegungen und Planungen vielerorts drastisch zurückgefahren bzw. ausgesetzt worden. Die Begründung dafür war wahrscheinlich überall gleich: wir brauchen erstmal die Eckdaten für das Übernahmeangebot. Und damit wurde gewartet. Zeit vergeht, in der an der Kommunalisierung nicht gearbeitet wird. Genau das, was E.ON sich wahrscheinlich erhofft hat.

Nun ist die E.ON Westfalen Weser vor vielen Jahren aus dem alten EMR hervor gegangen. Am EMR waren etliche Kommunen beteiligt und die entsprechenden Anteile wurden in Anteile an E.ON Westfalen Weser umgewandelt und entsprechend bewertet. Bad Oeynhausen hat mit unter 2% immerhin den fünft- oder sechstgrößten Anteil. Die beiden größten Anteilseigner sind Herford und Paderborn. Wird nun E.ON Westfalen Weser von den Kommunen übernommen, bleiben die Anteilsverhältnisse gleich und Herford und Paderborn werden sich große Teile der bisherigen E.ON-Mehrheit „einverleiben“. Machen alle Kommunen mit, können diese ihre Anteile ebenfalls aufstocken oder aber auch so lassen wie sie sind. In jedem Fall wird man entsprechend seinem Anteil am Gewinn beteiligt … und kann ebenfalls entsprechend seines Anteils mit entscheiden. Bei unter 2% kann man sich ausmalen wieviel Gewinn und Mitspracherecht Bad Oeynhausen hat – als einer der größten Anteilseigner. Weiterhin kann man überlegen, wo die Entscheidungen getroffen werden.

Verlöre E.ON die Konzessionen ohne vorherigen Verkauf, sinkt der Wert des Unternehmens – Herford und Paderborn hätten ein großes Problem mit ihren Anteilen, die natürlich gewaltig im Wert sinken und die beiden Kommunen müssten ihre Werte stark nach unten berichtigen. Verkauft E.ON an die Kommunen und es ziehen nicht alle mit, haben Herford und Paderborn das gleiche Problem. Es ist also wenig verwunderlich, wenn aus dieser Richtung massiv die Werbetrommel für einen E.ON-Kauf gerührt wird. Das hat nichts mit einer Kommunalisierung zu tun, sondern ist ein rein wirtschaftliche Interesse. Beteiligen wir uns an dem neuen Unternehmen ist dies ebenfalls keine Kommunalisierung, sondern nur eine wirtschaftliche Beteiligung ohne praktisches Mitspracherecht.

Möchte Bad Oeynhausen zum einen die Versorgung der Bürger mit einem Grundbedürfnis selbst in der Hand haben und nicht privatisieren, müssen die Konzessionen für Strom und Gas kommunalisiert werden und z.B. durch die Stadtwerke AöR gehalten werden. Ob das allein oder nur mit einem Partner gelingt, ist sicher diskussionswert. Möchte Bad Oeynhausen die Netzentgelte in Eigenregie vereinnahmen und entscheiden was damit wie geschieht, müssen die Konzessionen für Strom und Gas in den Händen der Stadtwerke kommunalisiert werden. Möchte man ein eigenständiges Energiekonzept mit möglichst dezentraler, nachhaltiger und regenerativer Energieerzeugung vor Ort installieren, dann ist die Kommunalisierung der Netze der erste, wichtige Meilenstein auf diesem Weg.

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